Andrea
Ich bin Andrea, 44 Jahre alt und trans* Frau. Ich arbeite in der IT und lebe in Düsseldorf, NRW.
Ich bin Andrea, 44 Jahre alt und trans* Frau. Ich arbeite in der IT und lebe in Düsseldorf, NRW.
Ich lebe getrennt von meinen Kindern in Düsseldorf, da meine Ex-Freundin und leibliche Mutter der Kinder und ich uns bereits 2016 getrennt haben. Meine Kinder wohnen in Heiligenhaus und Essen.
Wir haben keine rechtliche Bindung, da ich »nur« soziale Stief-Mutter war und bin. Ich hatte kein Sorgerecht und es gab keine Adoption. Ebensowenig haben meine Ex-Freundin und ich geheiratet, um eine rechtliche Bindung greifbarer zu machen.
Eher zufällig. Ich hatte mich nach Beginn der Hormontherapie schon damit abgefunden und meinen Frieden damit gefunden, keine Kinder zu haben. Als meine damalige Freundin und ich uns wieder kennenlernten (wir gingen in der 9. und 10. Klasse in dieselbe Schule und waren in der gleichen Klasse) und wir zusammenkamen, ergab es sich einfach, dass sie bereits Kinder hatte. So bin ich tatsächlich auch für mich überraschend auf einmal mit verantwortlich gewesen für das Wohl eines damals 7-jährigen Mädchens und eines 9-jährigen Sohns.
Ja. Ich hatte bereits 2006 mein Coming-out vor meiner Familie und meinen Freund*innen und 2009 beruflich mein Coming-out. Als wir 2012 zusammenkamen, lagen meine soziale Transition wie auch meine Personenstands- und Vornamensänderung bereits hinter mir und ich nahm bereits einige Jahre auch Hormone. Meine Kinder bekamen jedoch meine geschlechtsangleichende OP mit – und hier auch alle Stadien von vorher über zwischendrin bis zum Finish.
Nicht auf mein Coming-out, aber durchaus auf die Frage, ob ich mit der Hormontherapie anfangen möchte oder nicht. Mir war bewusst, dass dadurch ein Kinderwunsch schwieriger umzusetzen wäre oder im schlimmsten Fall unwahrscheinlich, da mich insbesondere die Anti-Androgene über die Zeit hinweg unfruchtbar machen würden. Ich bin entsprechend behutsam in die Hormontherapie gestartet, habe mir aber schon Gedanken über Alternativwege wie Adoption oder eben Beziehungen mit Leuten, die bereits Kinder haben, gemacht.
Nein. Wir haben tatsächlich geschaut, wie damit umgegangen wird und dann überlegt, ob und wie wir reagieren. Damit sind wir tatsächlich sehr, sehr gut gefahren. Allerdings hatten wir auch immer im Hinterkopf, dass es Thema sein kann.
Nachdem wir uns getrennt haben und die Kinder inzwischen so erwachsen wurden, dass die Schule durch ist und sie ein eigenes Leben haben, ist tatsächlich die größte Herausforderung, den Kontakt weiter aufrecht zu erhalten, ohne zu sehr zu wirken, als möchte ich mich reindrängen. Allerdings ist es in diesem Prozess auch normal, dass die Kinder weniger mit ihren Eltern machen.
Durchaus mal Rückfragen von Mitschüler*innen, gerade beim Schulwechsel, zu mir, die an das Kind gerichtet wurden oder Freund*innen, die zuerst Schwierigkeiten mit mir hatten. Aber das waren alles oft schnell und einfach lösbare Probleme. Trans* war im Alltag meiner Kinder und mit deren Freund*innen in den meisten Fällen kein Thema.
Sie nennen mich Andrea. »Mama« ist schon die Mama gewesen und mit »Andrea« bin ich zufrieden. :)
Nun, sie waren schon alt genug, als ich kam. Da musste ich nicht viel erklären, glücklicherweise. :)
Kaum eigentlich. Das meiste haben sie schon über das Zusammenleben mit mir verstanden, ohne dass wir das groß thematisieren mussten. Ansonsten bekamen sie ein wenig mit, wenn ich mit anderen über das Thema sprach oder auch, wenn sie Posts von mir zu dem Thema in den sozialen Medien sahen. Aber vieles haben sie tatsächlich schon völlig selbstverständlich über mein Vorleben verstanden.
Nein, von trans* Eltern nicht. Aber auch so hätte ich sie vermutlich nicht in Anspruch genommen, weil das tatsächlich kein bestimmendes Thema im Alltag war und ich mit meinen Ressourcen damals im Zweifel genug Hilfe und Unterstützung bekommen hätte, hätte ich sie gebraucht.
Meine Eltern waren sehr glücklich zu sehen, dass ich anscheinend ein Familienmensch bin und waren tatsächlich froh über ihre »Beuteenkel«. :) Sie haben auch durchaus mal was mit ihnen alleine unternommen und haben sich auch mit den Eltern meiner Freundin gut verstanden. Auch meine Freund*innen fanden das klasse. Das einzige »Problem« für mich war, dass meine Kinder deutlich älter waren als die meiner Freund*innen, so dass ich nicht wirklich Gesprächspartner*innen hatte, wenn es um Themen für Kinder in dem Alter gab.
Leute haben sich für mich gefreut und auch durchaus Nachfragen wie in diesem Interview gestellt – wie es klappt, was ich für Schwierigkeiten oder Herausforderungen habe und wie ich diesen begegne.
Wichtig war für mich, dass meine damalige Freundin und Mama der Kinder mich so nahm wie ich bin und mich so genannt und angesprochen hat, wie ich angesprochen werden möchte. Bei Fragen der Kinder an sie, insbesondere im Kennenlernprozess, hat sie genau die Dinge gesagt, die wichtig waren, damit sie weiterhin offen auf mich zugehen konnten und ich auch zu ihnen eine Beziehung aufbauen konnte. Sie hat geholfen, die Barrieren zu mindern oder zu verhindern, dass sich Barrieren aufbauen. Darüber hinaus hat sie glücklicherweise einen ähnlichen Umgang wie ich gehabt mit Kommentaren oder Blicken anderer Leute, sodass ich wusste, dass sie genauso mir den Rücken stärkt, wie ich es umgekehrt tue.
Wir waren sowohl bei der Grundschule wie auch bei der weiterführenden Schule eigentlich immer recht offen damit. Wir sind nicht damit hausieren gegangen, haben uns aber auch nicht versteckt. Wir wollten im Grunde unseren Kindern und allen anderen damit kommunizieren, dass eine Konstellation wie die unsere nicht wirklich anders oder besonders ist im Vergleich zu den Konstellationen anderer Familien. Das hat wirklich gut funktioniert. Kam das Thema auf, sprachen wir es an oder machten etwas dafür (beispielsweise habe ich einen kleinen Workshop in der 5. Klasse meiner Tochter damals gemacht, um Fragen zu klären und Bedenken oder Verwunderung auszuräumen; hier hat mich auch die Klassenlehrkraft unterstützt).
Eigentlich durchgehend positiv. Es gab eine Lehrerin in der Grundschule, die zwar gewollt hätte, dass ich einen Input gebe zu unserer lesbischen Beziehung, aber Transsexualität wäre ein für die Kinder zu komplexes Thema, meinte sie. Das fand ich lustig im Zusammenhang damit, dass ein Viertel der Klasse mich bereits gut kannte und das Thema anscheinend gar nicht so komplex für sie war, wie die gute Frau sich das dachte. Die Klassenlehrkraft meines Sohnes hat mich gefragt, ob ich, wenn mein Sohn damit einverstanden wäre, im Zusammenhang mit ihrer Sexualaufklärung, in der sie auch Homo- und Bisexualität behandelt, eine Stunde zum Thema Trans* machen könnte. Was dazu führte, dass auch die Klasse meines Sohnes zum einen wusste, was mit mir ist und zum anderen sehr viel Spannendes über dieses Thema lernen konnte. Ein Schulkamerad meines Sohnes ist, als er gerade meinen Sohn kennengelernt hatte und das erste Mal zu uns zu Besuch kam und übernachten wollte, sehr schnell wieder heimgegangen, als er mich sah und erlebte. Im Nachgang habe ich dann erfahren, dass er seiner Mutter von mir erzählte und diese wiederum ein tolles und offenes Gespräch mit ihrem Sohn dazu führte und ihm damit ein sehr offenes, progressives und wohlwollendes Bild von trans* Leuten zeichnete. Die Eltern der Freund*innen unserer Kinder waren durchweg unspektakulär dem Thema gegenüber. Ich habe an keiner Stelle Probleme deswegen erfahren, noch wurde arg darüber gesprochen. Ich war einfach Andrea. Fertig. :)
Meine Tochter hatte, wie erwähnt, in der 5. Klasse nach ein paar Monaten damit zu kämpfen, dass sie Fragen über mich bekam, die sie nicht beantworten wollte. Hier haben wir schnell reagiert, mit der Klassenlehrkraft zusammen mit meiner Tochter gesprochen und wir haben alle gemeinsam entschieden, nachdem es der Wunsch meiner Tochter war, dass ich mal zu Besuch komme und einen kleinen Workshop und eine Fragerunde mit der Klasse machen würde, sodass die Fragen an mich gingen und ich Missverständnisse oder Vorurteile ausräumen konnte. Danach war das kein Thema mehr bei ihr.
Ich habe am Arbeitsplatz immer offen und frei über meine Situation und Familie sprechen können. Mein Sohn hat darüber hinaus ein Praktikum in dem Betrieb gemacht, in dem ich damals arbeitete.
Wenn, dann eher bestätigend. Dass ich Mama sein kann. Dass ich nicht Dinge vermissen muss, nur weil ich trans* bin und dass ich geliebt werden kann, auch von Kindern, als die, die ich bin.
Nein. Die Wahrnehmung ist weiterhin davon abhängig, wie ich mich optisch präsentiere. Wenn ich widersprüchlich auftrete, werde ich oft noch misgendert. Aber das hat auch damit zu tun, dass ich Sichtbarkeit zeigen will.
Nein. Ich sah und sehe nicht Elternschaft gekoppelt an ein bestimmtes Geschlecht. Elternschaft ist Verantwortung, Liebe, Familie. Egal ob Mann, Frau oder nicht-binär.
Macht Euch keine Sorgen, ob Ihr Grund sein könntet, dass Euer Kind wegen Euch in der Schule oder anderswo gemobbt wird. Wir durften feststellen, dass die Sorge, dass das ein Grund sein könnte (Angehörige hatten teilweise tatsächlich bei uns Sorge – gerade beim Schulwechsel auf die weiterführende Schule), an keiner Stelle bei unseren Kindern zutraf. Mobbing ist vielschichtig und nicht auf einen Faktor runterzubrechen. Und Kinder sind, je jünger sie noch sind, noch nicht vorurteilsbelastet. Wir haben festgestellt, dass in der Grundschule wie auch in der 5. bis 7. Klasse noch nicht so viele Vorurteile bestehen. Wenn wir sichtbar in der Zeit waren, sind die Kinder an uns gewöhnt, haben gelernt, dass wir nicht anders als alle anderen sind und somit waren wir auch kein Grund für Mobbing oder Ausgrenzung unserer Kinder. Natürlich kann das ein Grund sein, aber in unserem Fall war dies nicht so und ich würde behaupten, dass Dinge, die über uns gesagt worden wären, gesetzt dem Fall unsere Kinder wären gemobbt worden, nur Mittel zum Zweck gewesen wären, um unsere Kinder zu ärgern und verletzen. Und wenn unsere Familie nicht so wäre, wie sie war, hätten sie andere Dinge gefunden, um sie zu verletzen. Zudem ist die Diversität in den Schulen heute noch größer als sie es damals bei unseren Kindern war. Ansonsten: Lebt einfach vor, wie Ihr als Familie seid. Erklärt nicht viel, sondern seid. Das hilft so viel dabei es zu normalisieren und Ihr ahnt nicht wie viele Fragen Ihr damit beantwortet, ohne dass sie direkt gestellt wurden. Ich glaube, wir haben sehr viele Leute »aufklären« können nur einfach dadurch, dass wir da waren und sichtbar waren.