INTERVIEW

Louis

Ich bin Louis, 44 Jahre alt und TransMann. Ich schreibe bewusst TransMann und nicht trans* Mann, da ich zwar männlich bin, aber meine Biographie und mein Körper unterscheiden sich wesentlich von cis Männern. Ich bin trans* und ich bin männlich. Beides ist ein wichtiger Teil von mir. Außerdem bin ich Jurist, lebe in einer mittelgroßen Stadt in NRW und mag Pinguine und Radfahren.

Familienkonstellation

Wie lebst du jetzt (im Hinblick auf die Familienkonstellation)?

Ich lebe derzeit mit meiner Partnerin und unserem 1 ½ Jahre alten Kind zusammen, das meine Partnerin geboren hat. Derzeit gehen wir in Planung für ein zweites Kind. Unser Kind Y. geht in ein paar Monaten in die KiTa und ich dann wieder (mehr oder weniger) Vollzeit arbeiten. Bis dahin arbeite ich nur zwei Tage die Woche und bin ansonsten für die Betreuung zuständig. Bis vor kurzem haben wir noch mit einer weiteren Familie in einem gemeinsamen Haus gelebt, sodass es noch drei weitere Kinder gibt, zu denen ich einen sehr engen Bezug habe.Außerdem haben wir noch eine WG, da meine Partnerin in einer anderen Stadt arbeitet und dort in einer WG gelebt hat, bis wir unsere Familie gegründet haben. Ein bisschen was von diesem WG-Leben haben wir versucht trotz der Familiengründung in einer anderen Stadt aufrecht zu erhalten – auch, weil wir es schön finden, wenn unsere Kinder andere Lebenssituationen kennenlernen als nur das Leben in einer Kleinfamilie. Allerdings nehmen wir langsam Abschied von diesem Modell, da zwei Wohnsitze langfristig nicht zu finanzieren sind.

Wie ist deine rechtliche Situation bezüglich deines Kindes/deiner Kinder?

Ich bin glücklicherweise ohne weitere Schwierigkeiten direkt nach der Geburt als rechtlicher Vater unseres Kindes eingetragen worden – ein Vorteil der Eintragung ‚männlich‘ im Geburtenregister. Wir haben während der Schwangerschaft beim Jugendamt eine Vaterschaftsanerkennung erklärt. Also eigentlich der „normale“ Weg, um als nicht-verheiratetes Paar die Elternschaft beider Elternteile zu erreichen, nur dass dieser Weg derzeit vielen anderen queeren Paaren verwehrt wird. Trotzdem waren wir bis zur Ausstellung der Geburtsurkunde nervös, weil leider ein paar Standesämter eine Vaterschaftsanerkennung bei trans* Männern nicht akzeptieren – und das, obwohl die biologische Abstammung keine Voraussetzung für die rechtliche Vaterschaft ist.Letztlich war diese Sorge ein mitausschlaggebender Grund dafür, dass wir für die Geburt eine Klinik ausgewählt haben, die im Nachbar-Ort liegt. Denn so konnten wir sicherstellen, dass das Standesamt keine Kenntnis von meiner Transgeschlechtlichkeit hat. 

Elter werden

Wie war dein Weg dahin Elter zu werden?

Der Weg, der letztlich zum »Erfolg« geführt hat, war überraschend einfach und schnell. Davor gab es aber eine sehr lange Phase des erfolglosen Suchens nach einer Möglichkeit Elter zu werden. Meine Partnerin hat unser Kind geboren. Die Schwangerschaft ist mit Hilfe einer ärztlichen heterologen Insemination entstanden – also mit über eine sogenannte Samenbank bezogenen Spermien. Zugang zu diesem Weg zu bekommen war einfach. Wir haben eine Kinderwunsch-Praxis gesucht, die ausdrücklich auch lesbische Paare behandelt – zum einen, weil wir nicht in eine Praxis hätten gehen wollen, die andere Paare diskriminiert, aber auch, weil wir davon ausgegangen sind, dass die Praxis dann auch mit uns als queerem Paar kein Problem hat. Da wir nicht verheiratet sind, mussten wir vorher noch eine notarielle Erklärung machen, dass ich die Vaterschaft anerkennen werde. Das war eine Bedingung der Kinderwunsch-Praxis. Die benötigten zwei Inseminationen, und die Spermien für zwei Versuche haben uns in etwa 2.500 € gekostet. Wir streiten derzeit mit meiner privaten Krankenversicherung vor Gericht darüber, ob sie uns die Kosten teilweise erstatten müssen.
Wir haben uns schon sehr früh zu Beginn der Beziehung für diesen Weg entschieden. Nach einer Beziehungsdauer, von der ich vorher immer gesagt hätte: »das ist zu schnell«. Aber wir waren uns einfach sicher und sind nicht mehr die Jüngsten. ;)
Als mein Kinderwunsch entstand, habe ich nicht in einer Beziehung gelebt und konnte mir es auch vorstellen unabhängig von einer Beziehung Elter zu werden. Ich habe mich sowohl intensiv mit Möglichkeiten der Adoption und Pflege beschäftigt als auch mit Co-Parenting-Modellen. Leider hat (haben) sich weder im Bekanntenkreis noch über Co-Parenting-Netzwerke eine (oder mehrere) Person(en) gefunden, um gemeinsam eine Pflege-Elternschaft anzustreben. Die Erfahrungen als Transmann in der Co-Parenting-Szene wären nochmal einen eigenen Text wert. Ich hatte den Eindruck, dass sehr oft Spender mit einer eher geringen aktiven Rolle gesucht werden. Aber auch Personen, die einen aktiveren Co-Part suchten, suchten zumeist einen Part, der neben der sozialen Elternrolle zentral auch die biologische Elternschaft übernehmen kann – also eher kein erfolgsversprechendes Such-Profil für trans Männer*, die nicht schwanger werden wollen oder können.
Letztlich habe ich mich dann dafür entscheiden mich alleine um eine Pflegeelternschaft zu bewerben. Vorstellen konnte ich mir diese Verantwortung jedoch nur innerhalb meines damaligen WG-Kontextes, um im Alltag Unterstützung zu haben. Diese Wohn- und Lebenskonstellation erschien der Pflegestelle jedoch zu instabil für ein Pflegekind, welches ja zuvor schon Beziehungsabbrüche verarbeiten musste. Mit einer alleinstehenden Person hätten sie keine Schwierigkeiten gehabt – wobei deutlich wurde, dass sie eine alleinstehende Frau vertrauenswürdiger finden als einen alleinstehenden Mann. Ich hatte mich in diesem frühen Stadium des Bewerbungsverfahrens noch nicht als trans* geoutet, sodass ich nicht weiß, wie sie darauf reagiert hätten.
Durch die verschiedenen Gespräche und Kontakte in der Co-Parenting-Szene hatte ich schon einiges zum Thema »private Spende« mitbekommen. Als es dann bei meiner Partnerin und mir konkret wurde, haben wir uns dennoch für den Weg über eine Samenbank entschieden. Ein sehr pragmatischer Grund hierfür war der Faktor Zeit. Die Samenbank ist definitiv der schnellere Weg als die private Suche nach einem »Match«. Daneben hatten wir aber auch das Gefühl, dass unsere Lebenssituation schon kompliziert genug ist und sich durch ein Kind ausreichend weiter komplizieren würde, so dass wir mögliche emotionale, soziale und juristische Schwierigkeiten, die im Rahmen einer privaten Spende entstehen könnten, vermeiden wollten. Ich hoffe, dass sich dieser Weg im Nachhinein auch für Y. als eine gute Entscheidung darstellt. Ich hoffe, dass Y. über das Spenderregister die spendende Person kennenlernen kann, wenn Y. dieses Bedürfnis entwickelt. Wenn dieses Bedürfnis nicht entsteht, gibt es dann gar keinen Anlass sich mit der spendenden Person zu beschäftigen. Zusammenfassung dieser sehr langen Antwort: Der Weg zur Elternschaft war zum Verzweifeln lang und aufregend kurz.

Hat deine aktive Auseinandersetzung mit deiner Geschlechtsidentität und/oder dein (erstes) Coming-out als trans*_nichtbinär schon vor deinem Elterwerden stattgefunden oder begonnen? 

Ja, als ich Vater geworden bin, waren mein TSG-Verfahren und der Testo-Beginn schon über 10 Jahre her – mein Coming-out als trans* noch viel länger…

Hatte dein Coming-out als trans*_nichtbinär Einfluss auf deinen Kinderwunsch? Oder andersherum, hatte dein Elterwerden Einfluss auf dein Coming-out?

Irgendwie schon. Vielleicht bin ich auch einfach nur älter geworden – das eine geht ja nicht ohne das andere… Jedenfalls habe ich es aus verschiedenen Gründen sehr lange für mich absolut ausgeschlossen Kinder zu haben – bereits lange bevor ich mir über mein Trans*-sein bewusst geworden bin. In meinem Trans*-Prozess spielte das Thema daher zunächst überhaupt keine Rolle. Mein Testo-Start fiel dann zufällig zeitlich damit zusammen, dass eine sehr enge Bezugsperson von mir Elternteil geworden ist und ich somit plötzlich sehr viel Kinder-Kontakt hatte. Zudem traute sich ein befreundeter trans* Mann den Weg der eigenen Schwangerschaft zu gehen. Das konnte ich mir zwar damals überhaupt nicht vorstellen, aber es inspirierte mich trotzdem dazu noch mehr über Elternschaft als trans* Person nachzudenken. Auf einmal konnte ich es mir nicht nur vorstellen Kinder zu haben, sondern entwickelte sehr schnell einen sehr starken Kinderwunsch. Ich habe die Grundlage dieser Änderung der eigenen Einstellung zum Elternwerden im Nachhinein als Mischung aus dem äußeren Impuls des Lebens mit Kindern im engen Umfeld und dem geänderten Geschlechtsrollen-Erleben wahrgenommen. Ich hatte es mir vorher einfach nie vorstellen können „Mutter“ zu werden – auch wenn ich dies nie so ausformuliert hatte. „Vater“ zu werden, war hingegen sehr gut vorstellbar für mich. 

Hast du dich bzw. habt ihr euch hinsichtlich der Besonderheiten von trans*/queerer Elternschaft beraten lassen? Welche Erfahrungen hast du in diesem Zusammenhang gemacht?

Da sowohl ich als auch meine Partnerin Jurist*innen sind und wir schon Verfahren anderer trans* Eltern begleitet haben, haben wir uns quasi selber beraten. ;) Hinsichtlich der biologischen Fragen hatten wir nicht so viel Beratungsbedarf – außer der Empfehlung einer passenden Praxis und Samenbank. Hier hätten wir uns eine gute Beratung gewünscht, haben es aber auch so hinbekommen eine passende Einrichtung zu finden. 

Wie waren deine Erfahrungen mit medizinischem Personal während der Schwangerschaft(en) und gegebenenfalls der Geburt(en)?

Die Schwangerschaft fiel größtenteils in die Zeit, als wegen Corona keine Begleitpersonen mit zu Untersuchungen durften. Daher war ich in vielen Situationen einfach nicht dabei. Ich konnte allerdings bei dem Termin dabei sein, bei dem uns die Ärztin bei einer Vorsorgeuntersuchung mitteilen musste, dass es zu einer missed abortion gekommen war – d.h., der Fötus war noch in der Gebärmutter, aber lebte nicht mehr. Dieses Gespräch hatte natürlich nichts mit meiner Transidentität zu tun, aber ich erwähne es, weil wir gemerkt haben, wie wenig von fehlgeschlagenen Schwangerschaften erzählt wird und dies kein Tabu sein sollte und weil ich die Gesprächsführung durch die Ärztin sehr gut fand. Ein positives Beispiel an ärztlicher Kommunikation, welches uns den Umgang mit der traurigen Situation sehr erleichtert hat. Die einzigen Termine, bei denen meine Transidentität relevant war, waren die Termine in der Kinderwunsch-Praxis. Die Ärztin, die die Erstberatung durchgeführt hat, hat sich an einem Standard-Fragebogen für hetero Paare mit unerfülltem Kinderwunsch entlang gehangelt und hatte zum Beispiel sehr viele Fragen zu meiner Gesundheit etc. Alles Fragen, die sehr offenkundig für unsere Situation vollkommen irrelevant waren. Ich habe sie dann freundlich in ihrem Frage-Schwall unterbrochen und auf die Irrelevanz hingewiesen. Sie hat es sofort verstanden, aber war so sehr in ihrem Standard-Ablauf, dass es ihr schwerfiel davon abzuweichen und sie immer wieder auf irgendwelche irrelevanten Fragen zurückkam. Wir haben das eher als lustig denn als unangenehm empfunden. Es ist halt sehr skurril, dass eine Ärztin, die vorher weiß, dass ich trans* Mann bin, sich nicht vor dem Gespräch überlegt, welche Relevanz das für ihr medizinisches Beratungsgespräch hat. In der Zeit, in der ich mit in der Geburtsklinik sein konnte, habe ich zwar konsequent trans*spezifische T-Shirts getragen, aber wir sind dennoch durchgehend als cis hetero Paar wahrgenommen worden. Was uns aufgefallen ist, ist dass wir in der Geburtsklinik und nach der Geburt sehr oft als verheiratet eingeordnet werden. Angesichts der Menge der Kinder, die außerhalb von Ehen geboren werden, fanden wir das sehr irritierend. 

Wie hast du/habt ihr entschieden, dass du versuchen möchtest schwanger zu werden?

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Wie hast du die Schwangerschaft(en) erlebt?

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Wie hast du/habt ihr entschieden, dass du versuchen möchtest ein Kind zu zeugen? 

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Welche Erfahrungen hast du während der Vermittlung im Hinblick auf deine Geschlechtsidentität mit dem Jugendamt und anderen Institutionen/Vermittlungsstellen gemacht? 

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Wie ist der Umgang der Geburtseltern mit deiner Geschlechtsidentität?

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Familienalltag

Was macht dir im Moment im Hinblick auf deine Elternschaft am meisten Freude?

Die Freude von Y. über alles Mögliche mitzuerleben und an seinem Spaß am Leben teilhaben zu können. Und das Gefühl Y. eine tolle Geborgenheit geben zu können, wenn er sich nachts ankuschelt und dann einschläft.Ein indirekter, schöner Effekt der Elternschaft ist, dass sich das Commitment für eine gemeinsame Zukunft zwischen meiner Partnerin und mir durch das Kind viel größer anfühlt.

Was sind zurzeit für dich die größten Herausforderungen am Eltersein?

Die größte Herausforderung ist, dass ich extrem anfällig für Ohrwürmer bin und daher laufend intellektuell eher fragwürdige Kinderlieder im Ohr habe. Beim Schreiben dieses Textes zum Beispiel: https://www.youtube.com/watch?v=w878LueRuU4 Außerdem habe ich mir vorgenommen mich selber nicht so hetzen zu lassen von all den Dingen, die immer zu tun sind und stattdessen mehr die Zeit mit Y. zu genießen, bis die KiTa im Sommer startet. Das gelingt mir mal mehr, mal weniger gut.

Welche Herausforderungen gab es im Familienalltag, die mittlerweile überwunden sind?

Als Y. acht Wochen alt war bin ich in Elternzeit gegangen und meine Partnerin hat wieder 100 Prozent gearbeitet. Da Y. noch gestillt wurde, konnte ich in den ersten Monaten meinen Alltag kaum selbst gestalten, sondern war quasi örtlich an meine Partnerin gebunden bzw. davon abhängig, dass sie mir abgepumpte Milch zu Verfügung stellt. Dass hat mich sehr gestresst, weil ich sie in der Doppelbelastung Arbeiten und Stillen möglichst gut entlasten wollte, aber mich zugleich wahnsinnig abhängig gefühlt habe. Unabhängig vom Stillen entsteht mit einem Baby innerhalb einer Beziehung eine große gegenseitige Abhängigkeit – vor allem hinsichtlich der Möglichkeit Zeit für sich selbst zu haben. Theoretisch war mir das natürlich schon vorher klar, aber durch die geschilderte Still-Situation zu Beginn der Elternzeit war dieses Thema für mich sehr massiv präsent. Beim (geplanten) zweiten Kind will meine Partnerin einen mehr oder weniger großen Teil der Elternzeit übernehmen. Dann werden sich sicherlich ganz neue Themen und Herausforderungen ergeben.

Wie möchtest du von deinem Kind/deinen Kindern genannt werden? Wie nennen sie dich?

Eigentlich finde ich „Funktionsbezeichnungen“ merkwürdig und bin dafür alle Personen mit Vornamen anzusprechen. So ist es auch in meiner Herkunftsfamilie, aber nun sagt Y. doch Papa (oder sowas ähnliches) und ich finde es ehrlich gesagt jetzt doch sehr süß, wenn er es macht. Wahrscheinlich auch, weil es noch sehr neu ist und Y. bisher nur wenig Wörter benutzt. Zurzeit ist aber auch die Mama „Papa“ und eigentlich fast alle anderen Bezugspersonen auch. 

(Wie) Sprichst du mit deinem Kind/deinen Kindern darüber wie sie „entstanden“ sind bzw. wie sie zu dir/euch gekommen sind?

Das war bisher noch kein Thema aufgrund des Alters. Uns ist es aber total wichtig, dass Y. seine Entstehung möglichst früh erfährt und wir wollen dann immer Stück für Stück so viele Fragen beantworten, wie für Y. gerade relevant sind – also immer gucken was an Nachfragen kommt und darauf eingehen, aber Y. nicht mit Informationen überfahren. Zum Glück haben wir jetzt schon ein tolles „Aufklärungsbuch“ gefunden, in dem verschiedene Arten Babys zu bekommen erklärt werden – auch die Insemination und auch die Geburt per Kaiserschnitt. Das Buch heißt: „Ein Baby! Wie eine Familie entsteht“ (Verlag: Penguin Junior). Wir haben auch andere Bilderbücher bzw. Kinderbücher, in denen trans* thematisiert wird, sodass vielleicht auch darüber Gesprächsmöglichkeiten entstehen.

(Wie) Sprichst du mit deinem Kind/deinen Kindern über dein Trans*-/Nicht-binär-Sein?

Bisher gar nicht aufgrund des Alters des Kindes. Aber ich habe bereits andere Kinder in ihrem Aufwachsen begleitet und bei denen war es jeweils so, dass mein Trans*Sein im Alter von ca. drei Jahren Thema wurde, weil die Kinder sich mit Geschlecht und vor allem den körperlichen sogenannten Geschlechtsmerkmalen beschäftigt haben. Das heißt die Fragen waren erstmal sehr auf Körper bezogen und teilweise waren die Gespräche nach dem Hinweis, dass es schon stimmt, dass Männer einen Penis haben, aber nur die meisten und nicht alle, schon beendet, weil den Kindern das als Information ausreichte. Nur eines der drei Kinder, mit denen ich dieses Gespräch hatte, hat immer mal wieder Nachfragen gehabt – über den Verlauf von mehreren Jahren. Unter anderem, woher man das denn dann eigentlich weiß, ob man ein Mädchen ist, wenn man es dem Körper nicht ansieht, aber auch wie das mit dem Kinder bekommen bei mir funktioniert und was das Testosteron in meinem und in seinem Körper so treibt. Es waren eigentlich alles sehr interessante Gespräche und ich habe versucht alles so gut wie möglich zu beantworten. Ich fand es sehr spannend, welche Gedanken sich das Kind gemacht hat und zu welchen Gelegenheiten es wieder auf das Thema zurückkam. Das Thema Trans* in unterschiedlichen Facetten ist so seit sechs Jahren immer mal wieder Thema zwischen uns. 

Weißt du von Angeboten für Regenbogenfamilien und gegebenenfalls für trans*_nicht-binäre Eltern und ihre Familien in deiner Region? Wenn ja, nimmst du sie in Anspruch?

Wir haben selber einen Queer-Family-Brunch in Frankfurt am Main (unserer Zweitstadt) mitgegründet. Der findet zurzeit vier Mal im Jahr statt. Ich weiß, dass es in anderen Städten in NRW Krabbel-Treffs und ähnliches gibt, aber in meiner Stadt leider bisher nicht. 

Was war als Kind dein Lieblingsbuch? 

Ronja Räubertochter

Was sind aktuelle oder dauerhafte Lieblingsbücher deiner Kinder? 

Henriette Bimmelbahn und Picknick mit Frau Groß – Picknick mit Herrn Klein. Ein wirklich wunderbares Buch, wenn auch so gar nicht queer.

Umfeld

Wie hat dein Umfeld auf dein Elterwerden und Eltersein reagiert und wie gestaltet sich das mittlerweile? Welche Erfahrungen hast du mit Freund*innen und gegebenenfalls deiner Herkunftsfamilie gemacht? Was hättest du dir gewünscht?

Da meine Herkunftsfamilie und meine Freund*innen mich schon sehr lange in meiner Suche nach einer Möglichkeit ein Kind „zu haben“ und auch in dem Versuch des Abschiednehmen vom Kinderwunsch begleitet hatten, haben sich alle sehr mit mir gefreut. Es war sehr schön zu erleben, wie sehr ganz viele Leute sich gefreut haben! 

Wie können deiner Meinung nach cis Co-Eltern/Partner*innen/Bezugspersonen trans*_nicht-binäre Eltern im Hinblick auf Elterwerden und -sein gut unterstützen? 

Abstrakt gesagt, denke ich die Hauptsache ist die spezifischen Sorgen und emotionalen/psychischen Schwierigkeiten, die mit dem Prozess einhergehen, ernst zu nehmen – unabhängig davon, ob dieses „Ernstnehmen“ dann zu faktischen Entscheidungen/Handlungen führt oder ob es „nur“ darum geht, dass auch dies Raum findet im Miteinander. Da meine Partnerin unser Kind ausgetragen hat, habe ich meine Aufgabe während der Schwangerschaft und Geburt in der unterstützenden Rolle gesehen. Aber um meinen Eingangssatz etwas konkreter zu machen, will ich im Folgenden versuchen zu beschreiben, wo ich Unterstützung für mich gebraucht habe (und zum Glück auch bekommen habe):Ich fand es sehr schön, dass meine Sorge, ob es mit der Eintragung der rechtlichen Elternschaft wirklich schnell klappt, von meiner Partnerin ernst genommen wurde. Angesichts dessen, dass sie mit der Schwangerschaft ja den durchaus anstrengenderen Part des Elternwerdens übernommen hat, finde ich es nicht selbstverständlich. Ein weiteres Thema, das mich emotional beschäftigt hat und wo ich es gut fand darin „gehört“ zu werden, ist die Tatsache, dass wir zusammen ein Kind wollten (und bekommen haben), aber nur meine Partnerin biologisches Elternteil ist. Das ist ein Ungleichgewicht zwischen uns beiden, das ich mittlerweile eher vergessen kann, aber mich in der Phase der „Planung“ stark beschäftigt hat. Wir haben daher auch kurz über die ROPA-Methode nachgedacht. Meine Partnerin hielt das zwar für keine gute Idee (also nicht generell, sondern bei uns), aber hätte sich darauf eingelassen, wenn es mir sehr wichtig gewesen wäre. Auch diese hypothetische Zustimmung war aus meiner Sicht ein unterstützendes Ernstnehmen meiner Themen im Prozess des Elternwerdens.Aus beiden Gründen zusammen (rechtliche und biologische Situation) hat Y. meinen Nachnamen bekommen – auf Vorschlag meiner Partnerin. Das hat mir sehr geholfen, um mit der beschriebenen Ungleichgewichtigkeit umgehen zu können.

Kita/Kindergarten, Schule und andere Institutionen

Wie gehst du/geht ihr in der Kita und in der Schule des Kindes/der Kinder mit Infos zu eurer Familienkonstellation um?

Als ich die Interviewfragen beantwortet habe, war Y. noch nicht in der KiTa. Weil es mittlerweile so weit ist, ergänze ich einen Nachtrag zu dieser und der folgenden Frage: Mir war es wichtig in der KiTa offen damit umzugehen, dass Y. ein sogenanntes Spenderkind ist und ich trans*. Denn wenn ich will, dass wir Y. gegenüber möglichst offen reden, muss Y. diese Themen auch in die KiTa tragen dürfen. Und Y. soll dort natürlich nicht auf Irritation stoßen; daher sollten die Erzieher*innen schon vorher informiert sein.

Wie erlebst du den Umgang von anderen Kindern, anderen Eltern, Erzieher*innen und Lehrkräften mit eurer Familienkonstellation? 

Es gab zum Start der KiTa einen Fragebogen für die Eltern, damit die Erzieher*innen ein bisschen was über das Kind und das Zuhause wissen. Dort habe ich bei „Sonstiges“ reingeschrieben, dass ich trans* bin und Y. mit Spende-Spermien gezeugt wurde und wir dies Y. auch früh erklären werden und daher wollen, dass die Erzieher*innen informiert sind.Die Eingewöhnung hat meine Partnerin übernommen und die Erzieherin, die Y. am engsten begleitet, hat im Rahmen der Eingewöhnung die Gelegenheit genutzt meine Partnerin darauf anzusprechen. Wie mir berichtet wurde, war es ein sehr angenehmes Gespräch. Als Einstieg wählte die Erzieherin die Info, dass ein befreundetes lesbisches Paar vor mehreren Jahren ins Ausland musste für die Insemination und fragte, ob sich die Situation seit dem verbessert habe. Sie hat also direkt zum Einstieg klar gemacht, dass sie einen solidarischen Blick auf unsere Situation hat.

Arbeitsplatz

Welche Erfahrungen hast du im beruflichen Kontext im Hinblick auf deine Schwangerschaft und eure Familienkonstellation gemacht? Wie gehst du am Arbeitsplatz mit Infos zu eurer Familienkonstellation um? 

Unabhängig von meiner Elternschaft bin ich auf der Arbeit nur bei einzelnen Kolleg*innen out. Das Elternwerden war für mich kein Anlass dies zu ändern – auch wenn ich seit einer Weile eigentlich den Vorsatz habe mehr out zu sein. Daher habe ich keine Erfahrungen bezüglich unserer Familiensituation gemacht. 

Identität

Hatte Dein Elterwerden und / oder Eltersein Einfluss auf die Entwicklung deiner geschlechtlichen Identität, Rolle und/oder Performance? Wenn ja, welchen?

Während der Planung der Schwangerschaft und während der Schwangerschaft habe ich mir schon Gedanken darum gemacht – sowohl was meine eigene Wahrnehmung angeht als auch die Fremdwahrnehmung. Aber seit es „real“ ist, habe ich kaum darüber nachgedacht. Wenn ich es jetzt versuche zu reflektieren, würde ich sagen, dass es eher meine Männlichkeit verstärkt hat – also in dem Sinne, dass ich mehr Richtung binär-männlich tendiere, wo ich vorher auch mal Richtung männlich im Alltag, aber innerlich doch eher nicht_binär tendiert habe. Während der Schwangerschaft war ich mir unsicher, ob ich mich selbst überhaupt als Vater bezeichnen würde oder doch eher als Elter. Aber mittlerweile ist es für mich eigentlich keine Frage mehr, dass ich Vater bin. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass sich das im Laufe des Elternseins nochmal ändert. Ich bin ja noch recht neu dabei und es werden sich sicherlich noch viele Interaktionen mit dem Kind bezüglich seiner und meiner Geschlechtlichkeit ergeben – als auch Reaktionen der Umwelt dazu, so dass es immer wieder einen Anstoß zu Veränderungen geben kann. Es bleibt spannend…

Wirst du durch dein Elterwerden oder -sein bezüglich deines Geschlechts anders wahrgenommen als vorher? Wenn ja, was hat sich verändert?

Wie ich vorher schon erwartet habe, bewege ich mich dadurch, dass ich einen großen Teil der Zeit tagsüber mit dem Kind verbringe, jetzt viel mehr in frauengeprägten Räumen als vorher. Denn in der Spielgruppe, auf Spielplätzen, beim Eltern-Kind-Turnen und auch mittags im IKEA-Restaurant sind immer überwiegend (wenn auch nicht ausschließlich) Frauen. Das ist ein neues Setting und ich hatte vorher die Sorge, dass es merkwürdig sein könnte bzw. nochmal eine andere „Anrufung“ als Mann stattfindet. Aber bisher ist alles sehr unspektakulär. 

Haben sich deine eigenen Perspektiven auf Geschlecht durch die Elternschaft verändert? Wenn ja, wie?

Bisher nicht, aber ich bin sehr gespannt, was hinsichtlich der geschlechtlichen Entwicklung des Kindes noch so auf mich zukommt und wie ich damit umgehen werde. Ich kenne einige Eltern, die der Meinung waren, dass sie sich sehr um eine geschlechtsneutrale/-kritische Erziehung bemüht haben und dann hat man doch plötzlich ein Kind, das nur mit Autos spielt und Mädchen blöd findet. Drückt mir die Daumen, dass mir das nicht passiert. 

Tipps und gegenseitiges Empowerment

Welche Tipps oder bestärkende Worte für (werdende) trans*_nicht-binäre Eltern möchtest du gern teilen? 

Es ist gut sich so früh wie möglich mit anderen trans*_nicht-binären und inter* Eltern zu vernetzen, um sich gegenseitig den Rücken zu stärken, wenn es zu unangenehmen oder auch nur irritierenden Situationen kommt.

Vielleicht möchtest du – oder auch dein(e) Co-Elter(n) – noch gerne etwas teilen, nach dem wir nicht gefragt haben. Dann ist hier Raum dafür:

Es gibt einen Punkt, zu dem ich noch keine Erfahrungen teilen kann, weil es noch nicht so weit ist, aber zu dem ich mir Gedanken mache bzw. der mich unsicher macht. Vielleicht können ja andere Erfahrungen dazu teilen. Aufgrund seines Körpers gehen wir erstmal (bis er sich dazu äußern kann) davon aus, dass Y. ein Junge ist. Da das zweite Elternteil cisweiblich ist, bin ich seine engste männliche Bezugsperson – allerdings eine männliche Bezugsperson, die erhebliche Erfahrungslücken hinsichtlich des Aufwachsens einer als männlich gelesenen Person hat. Insbesondere was die Interaktion innerhalb der Peer-Gruppe angeht, finde ich den Gedanken sehr verunsichernd, dass ich Y. eventuell bei Schwierigkeiten oder Unsicherheiten (insbesondere in der Pubertät) nicht so zur Seite stehen kann wie das möglicherweise ein cis Vater könnte, der selbst eine (hinsichtlich der geschlechtlichen Verortung und gesellschaftlichen Wahrnehmung) vergleichbare Kindheit und Jugend erlebt hat.