Wie war dein Weg dahin Elter zu werden?
Der Weg, der letztlich zum »Erfolg« geführt hat, war überraschend einfach und schnell. Davor gab es aber eine sehr lange Phase des erfolglosen Suchens nach einer Möglichkeit Elter zu werden. Meine Partnerin hat unser Kind geboren. Die Schwangerschaft ist mit Hilfe einer ärztlichen heterologen Insemination entstanden – also mit über eine sogenannte Samenbank bezogenen Spermien. Zugang zu diesem Weg zu bekommen war einfach. Wir haben eine Kinderwunsch-Praxis gesucht, die ausdrücklich auch lesbische Paare behandelt – zum einen, weil wir nicht in eine Praxis hätten gehen wollen, die andere Paare diskriminiert, aber auch, weil wir davon ausgegangen sind, dass die Praxis dann auch mit uns als queerem Paar kein Problem hat. Da wir nicht verheiratet sind, mussten wir vorher noch eine notarielle Erklärung machen, dass ich die Vaterschaft anerkennen werde. Das war eine Bedingung der Kinderwunsch-Praxis. Die benötigten zwei Inseminationen, und die Spermien für zwei Versuche haben uns in etwa 2.500 € gekostet. Wir streiten derzeit mit meiner privaten Krankenversicherung vor Gericht darüber, ob sie uns die Kosten teilweise erstatten müssen.
Wir haben uns schon sehr früh zu Beginn der Beziehung für diesen Weg entschieden. Nach einer Beziehungsdauer, von der ich vorher immer gesagt hätte: »das ist zu schnell«. Aber wir waren uns einfach sicher und sind nicht mehr die Jüngsten. ;)
Als mein Kinderwunsch entstand, habe ich nicht in einer Beziehung gelebt und konnte mir es auch vorstellen unabhängig von einer Beziehung Elter zu werden. Ich habe mich sowohl intensiv mit Möglichkeiten der Adoption und Pflege beschäftigt als auch mit Co-Parenting-Modellen. Leider hat (haben) sich weder im Bekanntenkreis noch über Co-Parenting-Netzwerke eine (oder mehrere) Person(en) gefunden, um gemeinsam eine Pflege-Elternschaft anzustreben. Die Erfahrungen als Transmann in der Co-Parenting-Szene wären nochmal einen eigenen Text wert. Ich hatte den Eindruck, dass sehr oft Spender mit einer eher geringen aktiven Rolle gesucht werden. Aber auch Personen, die einen aktiveren Co-Part suchten, suchten zumeist einen Part, der neben der sozialen Elternrolle zentral auch die biologische Elternschaft übernehmen kann – also eher kein erfolgsversprechendes Such-Profil für trans Männer*, die nicht schwanger werden wollen oder können.
Letztlich habe ich mich dann dafür entscheiden mich alleine um eine Pflegeelternschaft zu bewerben. Vorstellen konnte ich mir diese Verantwortung jedoch nur innerhalb meines damaligen WG-Kontextes, um im Alltag Unterstützung zu haben. Diese Wohn- und Lebenskonstellation erschien der Pflegestelle jedoch zu instabil für ein Pflegekind, welches ja zuvor schon Beziehungsabbrüche verarbeiten musste. Mit einer alleinstehenden Person hätten sie keine Schwierigkeiten gehabt – wobei deutlich wurde, dass sie eine alleinstehende Frau vertrauenswürdiger finden als einen alleinstehenden Mann. Ich hatte mich in diesem frühen Stadium des Bewerbungsverfahrens noch nicht als trans* geoutet, sodass ich nicht weiß, wie sie darauf reagiert hätten.
Durch die verschiedenen Gespräche und Kontakte in der Co-Parenting-Szene hatte ich schon einiges zum Thema »private Spende« mitbekommen. Als es dann bei meiner Partnerin und mir konkret wurde, haben wir uns dennoch für den Weg über eine Samenbank entschieden. Ein sehr pragmatischer Grund hierfür war der Faktor Zeit. Die Samenbank ist definitiv der schnellere Weg als die private Suche nach einem »Match«. Daneben hatten wir aber auch das Gefühl, dass unsere Lebenssituation schon kompliziert genug ist und sich durch ein Kind ausreichend weiter komplizieren würde, so dass wir mögliche emotionale, soziale und juristische Schwierigkeiten, die im Rahmen einer privaten Spende entstehen könnten, vermeiden wollten. Ich hoffe, dass sich dieser Weg im Nachhinein auch für Y. als eine gute Entscheidung darstellt. Ich hoffe, dass Y. über das Spenderregister die spendende Person kennenlernen kann, wenn Y. dieses Bedürfnis entwickelt. Wenn dieses Bedürfnis nicht entsteht, gibt es dann gar keinen Anlass sich mit der spendenden Person zu beschäftigen. Zusammenfassung dieser sehr langen Antwort: Der Weg zur Elternschaft war zum Verzweifeln lang und aufregend kurz.
Hat deine aktive Auseinandersetzung mit deiner Geschlechtsidentität und/oder dein (erstes) Coming-out als trans*_nichtbinär schon vor deinem Elterwerden stattgefunden oder begonnen?
Ja, als ich Vater geworden bin, waren mein TSG-Verfahren und der Testo-Beginn schon über 10 Jahre her – mein Coming-out als trans* noch viel länger…
Hatte dein Coming-out als trans*_nichtbinär Einfluss auf deinen Kinderwunsch? Oder andersherum, hatte dein Elterwerden Einfluss auf dein Coming-out?
Irgendwie schon. Vielleicht bin ich auch einfach nur älter geworden – das eine geht ja nicht ohne das andere… Jedenfalls habe ich es aus verschiedenen Gründen sehr lange für mich absolut ausgeschlossen Kinder zu haben – bereits lange bevor ich mir über mein Trans*-sein bewusst geworden bin. In meinem Trans*-Prozess spielte das Thema daher zunächst überhaupt keine Rolle. Mein Testo-Start fiel dann zufällig zeitlich damit zusammen, dass eine sehr enge Bezugsperson von mir Elternteil geworden ist und ich somit plötzlich sehr viel Kinder-Kontakt hatte. Zudem traute sich ein befreundeter trans* Mann den Weg der eigenen Schwangerschaft zu gehen. Das konnte ich mir zwar damals überhaupt nicht vorstellen, aber es inspirierte mich trotzdem dazu noch mehr über Elternschaft als trans* Person nachzudenken. Auf einmal konnte ich es mir nicht nur vorstellen Kinder zu haben, sondern entwickelte sehr schnell einen sehr starken Kinderwunsch. Ich habe die Grundlage dieser Änderung der eigenen Einstellung zum Elternwerden im Nachhinein als Mischung aus dem äußeren Impuls des Lebens mit Kindern im engen Umfeld und dem geänderten Geschlechtsrollen-Erleben wahrgenommen. Ich hatte es mir vorher einfach nie vorstellen können „Mutter“ zu werden – auch wenn ich dies nie so ausformuliert hatte. „Vater“ zu werden, war hingegen sehr gut vorstellbar für mich.
Hast du dich bzw. habt ihr euch hinsichtlich der Besonderheiten von trans*/queerer Elternschaft beraten lassen? Welche Erfahrungen hast du in diesem Zusammenhang gemacht?
Da sowohl ich als auch meine Partnerin Jurist*innen sind und wir schon Verfahren anderer trans* Eltern begleitet haben, haben wir uns quasi selber beraten. ;) Hinsichtlich der biologischen Fragen hatten wir nicht so viel Beratungsbedarf – außer der Empfehlung einer passenden Praxis und Samenbank. Hier hätten wir uns eine gute Beratung gewünscht, haben es aber auch so hinbekommen eine passende Einrichtung zu finden.
Wie waren deine Erfahrungen mit medizinischem Personal während der Schwangerschaft(en) und gegebenenfalls der Geburt(en)?
Die Schwangerschaft fiel größtenteils in die Zeit, als wegen Corona keine Begleitpersonen mit zu Untersuchungen durften. Daher war ich in vielen Situationen einfach nicht dabei. Ich konnte allerdings bei dem Termin dabei sein, bei dem uns die Ärztin bei einer Vorsorgeuntersuchung mitteilen musste, dass es zu einer missed abortion gekommen war – d.h., der Fötus war noch in der Gebärmutter, aber lebte nicht mehr. Dieses Gespräch hatte natürlich nichts mit meiner Transidentität zu tun, aber ich erwähne es, weil wir gemerkt haben, wie wenig von fehlgeschlagenen Schwangerschaften erzählt wird und dies kein Tabu sein sollte und weil ich die Gesprächsführung durch die Ärztin sehr gut fand. Ein positives Beispiel an ärztlicher Kommunikation, welches uns den Umgang mit der traurigen Situation sehr erleichtert hat. Die einzigen Termine, bei denen meine Transidentität relevant war, waren die Termine in der Kinderwunsch-Praxis. Die Ärztin, die die Erstberatung durchgeführt hat, hat sich an einem Standard-Fragebogen für hetero Paare mit unerfülltem Kinderwunsch entlang gehangelt und hatte zum Beispiel sehr viele Fragen zu meiner Gesundheit etc. Alles Fragen, die sehr offenkundig für unsere Situation vollkommen irrelevant waren. Ich habe sie dann freundlich in ihrem Frage-Schwall unterbrochen und auf die Irrelevanz hingewiesen. Sie hat es sofort verstanden, aber war so sehr in ihrem Standard-Ablauf, dass es ihr schwerfiel davon abzuweichen und sie immer wieder auf irgendwelche irrelevanten Fragen zurückkam. Wir haben das eher als lustig denn als unangenehm empfunden. Es ist halt sehr skurril, dass eine Ärztin, die vorher weiß, dass ich trans* Mann bin, sich nicht vor dem Gespräch überlegt, welche Relevanz das für ihr medizinisches Beratungsgespräch hat. In der Zeit, in der ich mit in der Geburtsklinik sein konnte, habe ich zwar konsequent trans*spezifische T-Shirts getragen, aber wir sind dennoch durchgehend als cis hetero Paar wahrgenommen worden. Was uns aufgefallen ist, ist dass wir in der Geburtsklinik und nach der Geburt sehr oft als verheiratet eingeordnet werden. Angesichts der Menge der Kinder, die außerhalb von Ehen geboren werden, fanden wir das sehr irritierend.
Wie hast du/habt ihr entschieden, dass du versuchen möchtest schwanger zu werden?
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Wie hast du die Schwangerschaft(en) erlebt?
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Wie hast du/habt ihr entschieden, dass du versuchen möchtest ein Kind zu zeugen?
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Welche Erfahrungen hast du während der Vermittlung im Hinblick auf deine Geschlechtsidentität mit dem Jugendamt und anderen Institutionen/Vermittlungsstellen gemacht?
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Wie ist der Umgang der Geburtseltern mit deiner Geschlechtsidentität?
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